Stakeholder-Management bei freier Software
(Freie Software ist ein Teil von Open Source); Freie Software <> Open Source Software [1]
- Mehr zu freier Software und Unterschied zu proprietärer Software: Freie Software
- Die Organisation der Produktion von Freier Software ist ein Beispiel für Stakeholder-Management.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Geschichte Freier Software
- 2 GPL-Lizenz
- 3 Innovation: Neue Organisationsform
- 4 Ausstrahlung der Innovation auf andere Bereiche
- 5 Errungenschaften der freien Software Bewegung
- 6 Vergleich Linux vs. Windows
- 7 Warum arbeiten viele Open-Source-Programmierer unentgeltlich?
- 8 Reaktion von Altland
- 9 Einzelnachweise
Geschichte Freier Software
Der freie Austausch von Daten ist keine Neuerfindung irgendwelcher Radikaler, sondern gehört zu den Grundprinzipien des Internets. Seine Erfinder dachten gar nicht daran, dass einige wenige davon profitieren. Die ganze Gesellschaft sollte den Nutzen haben! Die Gründer hatten folgendes im Sinn: Das Netz kennt keinen Chef, keine Regierung, kein Zentrum. Im Netz sind alle Daten gleich, alle Strukturen und Ressourcen werden geteilt. Das Internet steht jedem offen und ist anonym. Auch die Grundgedanken des Arpanets (Vorreiter des Internet in den 60er Jahren) waren: Verbinden, Teilen, Tauschen. Sie entstanden aus der Tradition der Forschung, Wissen miteinander zu teilen, damit andere davon profitieren und so mehr Wissen schaffen können. Und sie entstanden, weil die begrenzten Ressourcen so gut wie möglich ausgenutzt werden sollten.
- Die Software war anfangs eine „freie Dienstleistung“ und galt als notwendige „Zugabe“ zur verkauften Hardware. Der Quellcode der Programme lag offen und war selbstverständlich jedem zugänglich.
- Ein freier Austausch der Software und auch deren Veränderung ("Hackerkultur") war z.B. in den Universitäten wie dem MIT in Stanfort, Berkeley Alltag.
- Ab etwa 1970 wurden Lizenzgebühren eingeführt und damit die Software extra berechnet.
- Damit war kein Quelltext mehr zum anpassen der Software an die eigenen Belange verfügbar.
- Die Software wurde ausserdem durch das Kopierverbot künstlich zum „knappes Gut“ und dadurch kommerzialisiert.
- Richard Stallman (Professor am MIT) sah bei dieser Entwicklung gravierende Beschränkung der Freiheit und stark eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten vorraus.
- Er kündigte 1983 am MIT und gründete das GNU-Projekt (GnuNotUnix). Dies als freies Betriebssystem im Gegensatz um propietären Unix-System.
- 1985 wurde die Free Software Foundation (FSF) gegründet und die freie GPL-Lizenz eingeführt.
- Entwicklung von GNU/Linux: Linus Torvalds veröffentlicht sein funktionsfähiges Linux-Betriebssystem unter der GPL-Lizenz. Aufgrund dieser Basis konnte nun jeder der wollte dieses freie Betriebssystem weiterentwickeln.
GPL-Lizenz
- Die GPL-Lizenz (General Public License) ist die wichtigste & verbreitetste Lizenz freier Software.
- Sie brachte eine ganz neue, gleichberechtigte und freie Kultur hervor (im Gegensatz zu den traditionellen Monopol-Lizenzen).
Regeln
Die GPL gewährt jedermann 4 Freiheiten. Das frei ist dabei im Sinne von Freiheit anstatt Freibier zu sehen:
- 1. Nutzung zu jedem Zweck, auch kommerziell
- 2. Erlaubt eine freie Verteilung (Kopie) der Software unter der Bedingung der Weitergabe des Quelltextes
- 3. Die Software darf studiert und verändert werden
- 4. Erlaubt die Verteilung veränderter Versionen unter den gleichen Bedingungen (1.-4.).
Diese Regeln haben im Wesentlichen ein doppeltes Ziel:
- Einerseits jene schützen, die ein Gemeingut erschaffen (indem sie Haftung ausschließen und verhindern, dass jemand in irreführender Weise als Autorin oder Autor genannt oder vergessen wird).
- Andererseits das Gemeingut selbst vor privater Aneignung schützen: Durch den Punkt 4 ist ausgeschlossen, dass jemand eine OpenSource-Software etwas verbessert und dann für die Nutzung dieser Version Lizenzgebühren verlangt.
Dabei gibt es zwei zentrale Ansätze:
- In der schwächeren Variante wird Software unter einer Lizenz freigegeben, die sicherstellt, dass die Software selbst für immer Gemeingut bleibt (selbst wenn ihre Urheber sie später lieber privatisieren würden), ohne aber diesen Schutz auch auf abgeleitete Werke (Bearbeitungen oder Erweiterungen der Software) auszudehnen.
- Die stärkere Variante ("Copyleft" genannt) bietet dagegen einen umfassenderen Schutz, indem sie fordert, dass auch beliebige abgeleitete Werke unter derselben Lizenz veröffentlicht werden (sofern sie überhaupt veröffentlicht werden). Somit stellt sie sicher, dass auch alle Bearbeitungen und Erweiterungen Teil der Gemeingüter werden.
- Die schwächere Variante stellt demnach immerhin sicher, dass diese Commons (=Gemeingüter) in vollem Umfang erhalten bleiben. Die stärkere Variante fördert darüber hinaus ihre Erweiterung und stellt dabei gleichzeitig eine neue, innovative Organisationsform dar:
Innovation: Neue Organisationsform
Mit den o.g. 4 innovativen Regeln der GPL-Lizenz wurde Peer-Management implementiert und so ein selbst erhaltendes System ohne zentrale Machtstruktur geschaffen:
- Mit diesen 4 Regeln kann jeder der wollte die Software für seine Zwecke anpassen, verbessern und weiterentwickeln.
- Allerdings unter der Bedingung, dass diese Weiterentwicklungen auch allen anderen zu Gute kommt.
- -> Man gibt etwas eigene Entwicklungsarbeit (oder auch gar keine, wenn man nur Nutzer ist) dazu und kann im Gegenzug die riesige Menge weltweiter Entwicklungsarbeit anderer nutzen. Bzw. ist es ein "rechtlicher Hack": Was man nimmt gibt man wieder zurück.
- Durch die Regeln wurde strukturell ausgeschlossen, dass niemand die Macht (Eigentumsrechte) über die Software bekam (Strukturelle Nichtausbeutungsfähigkeit. Durch die Regeln wird gleichzeitig ein Peer-Management implementiert.
- Diese Innovation durch die 4 einfachen Regeln, hat zu einer unwahrscheinlicher Entwicklung geführt und zeigt eine weitergehende hohe Dynamik.
- Durch diese Regeln und das gemeinsame Interesse an guter Software, ist eine Gemeinschaft entstanden, welche die von ihr geschaffenen freien immateriellen Lebensgrundlagen verwaltet, pflegt und weiterentwickelt. Die Menschen der Gemeinschaft leben damit auch eine reale Demokratie und Bürgerbewegung. Sie selbst schreiben, ohne weitere Vertretungs- oder Vermittlungsmechanismen, die Gesetze, die den Informationsfluss in der Gesellschaft, in der sie leben wollen, kontrollieren. Sie errichten ganz konkret, einen entscheidenden Baustein der Gesellschaft, die sie wollen. Sie schreiben diesem ihre eigenen Werte und Prioritäten ein und fordern so alle Menschen auf sich an diesem Unterfangen zu beteiligen.
Die Freie-Software-Bewegung hat damit eine ganz neue Art der Produktion von benötigten Gütern beschritten. Diese wird auch als Commons-based Peer-Production bezeichnet. Hier geht es nicht mehr darum ein produziertes Gut möglichst gewinnbringend zu verkaufen, sondern es wird für den eigenen Bedarf und Wunsch hergestellt. Damit unterliegt die Produktionsweise und Qualität auch nicht mehr dem Diktat der Märkte. Dieses neue Organisations-/Produktionsmodell ist damit auch Mit-Initiator für die Gemeingüter-Bewegung.
Wie sich die Produktionsform der Freien Software auf die reale Wirtschaft übertragen laesst um eine ganz neue Art von Oekonomie auf Basis von Selbstentfaltung anstatt Lohnarbeit und Macht herbeiführen wird im Oekonux-Projekt diskutiert.
Ausstrahlung der Innovation auf andere Bereiche
- Die neue Form der Produktion von freier Software stellt ein ganz anderes Organisationsmodell zur traditionellen, proprietären Software dar (s.o.).
- Dadurch wird ein freies immaterielles Gemeingut mit einem Mehrwert für die Gesellschaft geschaffen, gepflegt und selbstorganisiert vermehrt.
- Es wird Vielfalt (Flexibilität & Kreativität) anstatt der traditionellen Monokultur (Sicherheit) unterstützt.
- Auch für die Wirtschaft stellt freie Software eine interessante Möglichkeit dar. Z.B. hat IBM den Mehrwert des Produktionsmodells von Freier Software erkannt und durch die intensive Nutzung und Mitarbeit bei OpenSource (=freie Software) den eigenen Konzern gerettet und wieder fit gemacht (s.OpenSource Einstieg von IBM).
- Das Peer-Modell der freien Software dient vermehrt auch als Katalysator für neue, selbstorganisierte Managementkonzepte wie chaordische Organisation und Peer Ökonomie.
Das Modell strahlt inzwischen auf Nicht-Software-Bereiche aus, wodurch die private Aneignung von Lebensgrundlagen vermieden bzw. freie Lebensgrundlagen geschaffen oder zurückgewonnen werden. Diese Bewegungen folgen derselben Weigerung, Ideen durch Privateigentumsrechte behindern zu lassen. Die durch die Eigentumsrechte gefesselte Produktivkraft wird somit wieder befreit. Diese neue Form der Organisation/Produktion wird auch als "commonsbasierte Peer-Produktion" bezeichnet:
Beispiele im immateriellen Bereich
Neben der in den 1980er Jahren entstandenen Freien-Software-Community ist um das Jahr 2000 herum eine Freie-Kultur-Community entstanden, deren Anliegen die Schaffung und Verbreitung freier Inhalte (Texte, Musik, Filme und mehr) ist. Wie bei freier Software sind auch in der Freien-Kultur- Community starke und schwache Formen des Schutzes ihrer Gemeingüter üblich, wobei für beide Varianten oft Creative-Commons-Lizenzen (s.u.) verwendet werden.
- Die freie online-Enzyklopädie Wikipedia: Die freie Enzyklopädie, die jeder erweitern kann und deren deutsche Ausgabe nach gut siebenjähriger Existenz bereits fast eine Million Artikel umfasst.
- Es gibt noch viele verwandte Communities, die ein selbstproduziertes oder -organisiertes Gemeingut teilen und bewahren. So ist es Anliegen der Open-Access-Community, durch die Schaffung von freiem Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Experimentaldaten das wissenschaftliche Wissen wieder in das Gemeingut zu verwandeln, das es traditionell war (s.Freies Wissen).
- Ein wichtiges Werkzeug analog der GPL-Lizenz für freie Software stellt die Entwicklung der Creative-Commons-Lizenzen vor allem für freie Inhalte (Texte, Musik, Bilder, Filme und Bücher) dar (s.Freies Wissen).
Beispiele im materiellen Bereich
- freie Hardware-Technologien wie RepRap und Fabber oder LifeTrac (s.Freie Technologien).
- Verschiedenste materielle Gemeingüter anstatt monopolisierte Ressourcen und Infrastrukturen. Z.B. eine ökologische Stromversorgung als Bürgerprojekt wie durch die EWS Schönau, welche auch Wert auf den Rückkauf der Netze legt.
- Freie Funknetze sind selbstorganisierte Computernetzwerke, die freien Datenverkehr zwischen Computern ermöglichen und freie Zugangspunkte ins Internet zur Verfügung stellen
- Interkulturelle Gärten (»community gardens«) sind kleine, selbstverwaltete Gemeingüter, die an vielen Orten der Welt, meist in städtischen Umgebungen, entstanden sind. Diese Gärten bedeuten den Menschen, die sie hegen oder besuchen, eine Verbindung zur Natur und zu einer lebendigen Gemeinschaft.
- Die Mitglieder der BookCrossing-Gemeinde lassen Bücher, die sie nicht mehr brauchen, weiter »wandern«, gemäß der Idee, dass Bücher geschrieben wurden, um gelesen zu werden und nicht in Regalen zu verstauben.
Errungenschaften der freien Software Bewegung
Die freie Software Bewegung erzeugt durch die innovative Organisationsform (Peer-Management) nicht nur kostenlose Software, sondern viel weitreichendere Werte für die Gesellschaft:
Internet auf Basis freier Software
- Freie Software stellt die technische Basis des Internet dar.
- Dies sind z.B.: Request for Comment (RFC), TCP/IP, DNS, HTTP und E-Mail
- Die Entwicklung fand maßgeblich in den Universitäten statt. Hypertext & der erste Browser entstand am CERN
- Lizenzfreie offene Standards: z.B. HTML als gemeinsames Format
- Die Offenheit ermöglicht das Wachstum des Web
- Der Großteil der Server läuft mit freier Software
Linux, Apache, MySQL, PHP/Perl
-> Es gäbe kein Internet ohne freie Software!
Freier Markt & Stärkung regionaler Wirtschaft
Keine Herstellerabhängigkeit
- verhindert Monopolbildung
- eigene Weiterentwicklung & Anpassung möglich
Neue Geschäftsmodelle
- Dienstleistung für Softwareprodukte
- kein „Geld drucken“ durch Lizenzverkauf (Updatezwang)
Wettbewerb um beste Implementierung/Ideen
- auf Basis offener Standards und Formate
- kein Ausschluss von Mitbewerbern
- ermöglicht freie Wahl
Stärkung lokaler Wirtschaft:
- Dienstleistungen von heimischen Unternehmen
- Geld fließt nicht ab, teils Rückfluss durch Steuern
Überwindung Digitaler Spaltung
(Industrieländer und Entwicklungsländer wachsen enger zusammen)
Wettbewerbsfähigkeit bleibt erhalten
- moderne IT-Infrastruktur in ärmeren Ländern da kostenlos
- keine Abhängigkeit von ausländischen Firmen
Teilhabe am weltweiten Wissensaustausch
- Anhebung Bildungsstandards
- Studium der Quelltexte → eigene Softwarefirmen
Organisationsfähigkeit steigt
Niedrigere Einstiegsschwelle
- Hervorragende Übersetzung Freier Software
- Anpassung an regionale Besonderheiten
niedrigere Hardwareanforderungen
Vergleich Linux vs. Windows
Vorteile des freien Betriebssystems Linux:
- Höhere Sicherheit:
- keine Monokultur (es gibt keine Viren, Trojaner usw.)
- Laufende automatische Aktualisierung des Systems inklusive aller Anwendungen
- „telefoniert nicht nach Hause“ (kein Versand persönlicher Daten und Einstellungen an Andere)
- Komplette Softwareausstattung (bei weniger Speicher)
- OfficeSuite, E-Mail, Bildbearbeitung usw.
- Kostenlos verfügbar
- Umfangreiche Hilfe im Netz
- Wer will kann selbst Software verbessern oder durch Programmierer gewünschte Anpassungen vornehmen lassen.
Einstiegshürden von Linux:
- In seltenen Fällen fehlende Unterstützung der Hardwarehersteller
- gewohnte Anwendungen fehlen / sind anders
- Spieleunterstützung ist schlecht
Warum arbeiten viele Open-Source-Programmierer unentgeltlich?
Viele Programmierer arbeiten unentgeltlich an der Erstellung und Fortentwicklung des Gemeingutes "Freie Software". Motive dafür sind:
- Direkte Bedürfnisbefriedigung: Die Aktivitäten werden um ihrer selbst, als Spaß oder Anerkennung dabei ausgeführt.
- Monetärer Nutzen, z.B. durch Folgeaufträge (Anpassungen für einen kommerziellen Verwender der Software, Schulungen...) oder auch Schaffung eines Renommee um darüber dann einen Job (z.B. bei einer kommerziellen Firma zu bekommen).
Reaktion von Altland
Hat Altland die OpenSource-Bewegung einfach so zugelassen? Das Modell von OpenSource gefährdet schließlich die hohen Profite aus der leistungslosen Wirtschaft (s.Altland und Monopolisiertes Wissen).
- Tatsächlich ist der Verbreitungsgrad freier Software in vielen Bereichen so groß, dass Unternehmen, die proprietäre Software verkaufen, die Konfrontation suchen das Modell OpenSource kann den größten Teil davon vermeiden, da es durch die Dezentralität der Bewegung keine klare Zielscheibe gibt. Die proprietären Unternehmen haben es mit einer Medusa zu tun, die nicht auf Provokation reagiert.
- Altland versucht sein Profit-Modell auch politisch durchzudrücken, z.B. mit Software-Patenten oder durch die Herstellung von Computern, die nur Programme ausführen, die von ihnen genehmigt wurden (Trusted Computing).
Einzelnachweise
- ↑ Warum Freie Software besser ist als Open-Source-Software - Artikel. Webseite GNU Betriebssystem. Abgerufen am 22. Mai 2014.