Peer Ökonomie

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Während Peer-Prozessorganisation und Peer-Management in einem einzelnen Projekt, Unternehmen oder einer Organisation umgesetzt werden können (betriebswirtschaftlicher Ansatz), stellt Peer Ökonomie ein alternatives Wirtschaftssystem (volkswirtschaftlicher Ansatz) dar.

Was bedeutet Peer Ökonomie ?

Nutzenmaximierung anstatt Profitmaximierung Das Ziel der Wirtschaft „die Bedürfnisse + Wünsche“ der Menschen zu befriedigen soll direkt erreicht werden und nicht wie in der traditionellen Wirtschaft höchstens indirekt. Dabei wird das Naturgesetz des eingeschränkten Wettbewerbes eingehalten und lässt somit eine nachhaltige Weiterentwicklung zu:

  • Die treibende Kraft dabei ist die Nachfrage und nicht der Profit. Unbefriedigter Bedarf, unnütze/schädliche Güter sowie schädliche Produktionsweisen können damit vermieden werden.
  • Die Menschen suchen sich unter den Aufgaben, die getan werden müssen, eine passende aus und arbeiten mit anderen anstatt für andere.
  • Ein Leben voller Luxus & Müssiggang (durch leistungslose Einkommen) ist nicht mehr möglich.
  • Aber jeder kann entscheiden wie viel er arbeiten will oder welche Prioritäten er hat (Einkommen oder Position der Eltern spielen keine Rolle).
  • Außerdem muss nicht mehr ein immer größerer Teil der Arbeitskraft & Zeit aufgewendet werden um die leistungslosen Einkommen einer immer kleineren Minderheit zu erarbeiten.
  • Um weniger arbeiten zu müssen ist Effizienz bei der Leistungserstellung weiterhin wichtig. Allerdings geht diese nicht mehr auf Kosten schlechter Arbeitsbedingungen oder niedriger Sicherheitsstandarts!

Wortbedeutung

Das Wort "Peer" kommt aus dem Englischen und bedeutet Gleichrangiger. Diese Gleichrangigkeit wird auf allen Ebenen umgesetzt:

  • Peer Ökonomie ist eine Form der Wirtschaft, in der die strikte Trennung der Rollen von Produzent und Konsument verschwinden. An die Stelle der Begriffe "Produzent" und "Konsument" tritt der künstliche Begriff "Prosument".
  • Ebenso wie die Grenze zwischen Produzent und Konsument, löst sich auch die Grenze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Chef und Untergebener auf. Wer bei der Durchführung einer Aufgabe die Führung übernimmt entscheidet sich nicht aufgrund des Status sondern aufgrund der Reputation.

Wie findet Führung statt?

Die Rolle der Führungsperson wandelt sich analog Peer-Management:

  • Die Führungsperson, die früher Weisungsbefugnis besaß und die unter der Androhung wirtschaftlicher Konsequenzen bedingungslosen Gehorsam fordern konnte, wird zum "Maintainer".
  • Der Maintainer (auf deutsch "Anschieber") hat keine Weisungsbefugnis und übernimmt die Aufgabe eines Moderators.
  • Der Maintainer wird aufgrund seiner Initiative, Fähigkeiten & Fachwissen "von unten" ausgewählt.
  • Der Moderator selbst hat die Aufgabe, notwendige Entscheidungsprozesse vorzubereiten und Lösungen aus den Meinungen aller Beteiligten herauszukristallisieren, so dass einer Entscheidung im Konsens nichts mehr im Wege steht.
  • Dazu kann der Maintainer selbst einen gut durchdachten Lösungsvorschlag für alle Sichtbar in den Raum stellen. Dies erleichtert die Diskussion des Vorschlages für alle Beteiligten und regt die Beteiligung am Gestaltungsprozess an. Bei großen Gruppen bietet sich hier aus Effizienzgründen Liquid Democracy an.
  • Aus Effizienzgründen muss die Gruppe natürlich nicht bei allem mitdiskutieren. Sie kann den Maintainern auch eine gewisse Handlungsfreiheit übertragen.
  • Die Leistungen der Organisation beruhen somit auf freiwilligen Beiträgen (Niemand kann anderen befehlen & niemand muss Anderen gehorchen).

Wie finden Entscheidungsprozesse statt?

  • Mehrheitsentscheidungen werden wegen der Gefahr der "Diktatur der Mehrheit über die Minderheit" abgelehnt. Anstelle der Mehrheitsentscheidungen tritt basisdemokratischer Konsens.
  • Beim Konsens reicht ein einziges Veto aus, um eine Entscheidung zu kippen, wobei das Veto auch nachvollziehbar begründet werden muss.
  • Ein Veto mit der Absicht, der Gemeinschaft zu schaden oder Aufgrund der Arbeit als Strohmann hätte mit der Zeit den Verlust der Reputation zur Folge und würde im schlimmsten Fall zum Ausschluss aus einem Projekt führen.
  • Bei großen Organisationen kann aus Effizienzgründen anstelle der Einstimmigkeit auch ein "grober" Konsens treten. Trotzdem würde immer eine Einstimmigkeit angestrebt, um das abwandern von Gruppenmitgliedern in andere Projekte zu vermeiden.
  • Der Konsens wird in aktiven Konsens und passiven Konsens unterteilt. Aktiver Konsens bedeutet, dass nur ein ausgesprochenes "Ja" auch als Zustimmung gezählt wird. Passiver Konsens bedeutet, dass eine Enthaltung oder eine Abwesenheit, z.B. aufgrund von mangelndem Interesse, als "Ja" gezählt wird.
  • Bei allen Menschen, die von den Konsequenzen von Entscheidungen direkt betroffen sind, ist es sinnvoll, aktiven Konsens anzuwenden. Bei nicht betroffenen Teilnehmern ist passiver Konsens ausreichend.
  • Im Streitfall, wenn Schlichtungsversuche nicht mehr möglich sind, können Projekte gespalten werden und die einzelnen Teile können getrennte Wege gehen ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Eine zukünftige Wiedervereinigung oder eine generelle Kooperation beider Teile bleibt weiterhin möglich.
  • Abstimmung mit den Füßen: Unterstützung was man mag, verlassen oder aufspalten was nicht passt.

Freiheit wird in der Peer Ökonomie zur Freiheit, etwas nicht tun zu müssen.

Wie findet die Aufgabenverteilung statt?

Es gibt ein Aufgabenversteigerungssystem (Verteilung nach eigenen Präferenzen):

  • gibt es nicht genügend Freiwillige wird Gewichtung erhöht (und anderes erniedrigt) → neue Entscheidung → neue Gewichtung etc. bis alles relevante verteilt.

Für unbeliebte Aufgaben gibt es folgende Möglichkeiten:

  • wegautomatisieren
  • angenehmer machen (unterhaltsamer, interessanter, leichter, sicherer)
  • höher gewichten

Vermeidung von Trittbrettfahrern & Störern

  • Die Menschen werden beurteilt (Qualität, Initiative...)
  • Diese Beurteilung ergibt für jeden eine Reputation.
  • Die Reputation ändert sich rascher als ein traditioneller „sozialer Status“ oder "Posten".

Reputation des Projektes

  • Da Mitarbeiter auf freiwilliger Basis gesucht werden, ist die Reputation des Gesamtprojektes wichtig um fitte Mitglieder zu bekommen.
  • Dies sind dann z.B. Umweltschutz, offene Geschäftsmethoden & Wissen
  • Innovationen & neue Technologien können von anderen genutzt werden → Rad muss nicht neu erfunden werden
  • → Kooperation / Anderen Helfen lohnt sich: Wenn Andere Projekte vom Erfahrungswissen eines Projektes profitieren können, wird der Gesamtaufwand geringer (die Produkte werden etwas günstiger)
  • → „Geheimhaltung“ lohnt sich nicht mehr (im Gegenteil schädigt nur die Reputation)
  • Weniger Regulierung & Gesetze: in Marktwirtschaft müssen die Marktteilnehmer nachziehen, wenn 1 Unternehmen Löhne senkt, Sicherheitsstandards nicht einhält... → deswegen braucht man Regeln. dies ist nun aufgrund der drohenden Schädigung der Reputation nicht mehr nötig.
  • Es werden nicht mehr diejenigen belohnt, welche sich so mies verhalten, dass sie gerade noch damit durchkommen, sondern diejenigen, welche sich „gut“ verhalten

Verkauf der erstellten Güter

  • Präferenzgewichtung bei Verkauf von begrenzten Gütern (z.B. Häuser mit Meerblick): Meistbietender bekommt es (muss also mehr Anteile beitragen), dafür brauchen die anderen weniger Arbeiten.
  • → Es ergibt sich ein Gewinn für alle !
  • Bei mehr Angebot als Nachfrage: z.B. Flatrate-Modell
  • „Verteuerung“ durch Verknappung (weniger Herstellen) lohnt sich nicht, da dadurch nur die anderen Güter etwas günstiger werden.

Beispiel Peer-Ökonomy einer Gemeinde

  • Eine Gemeinde produziert Gemeingüter (z.B. Wohnungen). Diese können gemietet werden.
  • Die Miete fliesst nicht an Privatperson, sondern zur Gemeinde (um die Gemeingüter zu erstellen & zu unterhalten) → kein Leistungsloses Einkommen
  • In Gemeingüter-Zentren wird Austausch und Projekte organisiert
  • Infrastruktur + öffentliche Dienste wo möglich per „Flatrate“ (Gesamtstunden verteilt auf Anwohner)
  • Ressourcen werden als Gemeingüter betrachtet, durch lokale Assoziationen verwaltet und über Ressourcenpools zusammengelegt (Verteilung über Flatrate-Modell oder Versteigerung (wer bietet größte Menge gewichteter Arbeit zum Pool)).
  • Assoziationen, die ihre Ressourcen teilen werden nicht gewillt sein mit Assoziationen die nicht teilen zusammenzuarbeiten → alle werden teilen

Übergreifende Peer-Infrastrukturen

  • Die Basis der Organisation stellen die lokalen Peer-Gruppen (Gemeinden) mit ihren jeweiligen Projekten dar.
  • Für größere Projekte mit regionalem, superregionalen oder globalem Charakter kooperieren Projekte der untersten Ebene in projektübergreifenden Assoziationen. Hierbei gelten die gleichen Regeln (Freiwilligkeit, Konsens, Maintainer...) wie für die unterste Projekt-Stufe.
  • Es gibt z.B.
    • ein projektübergreifendes System für die Verteilung der (regionalen, superregionalen, globalen) Aufgaben & Resultate. Es gibt damit 4 Ebenen, welche "buttom-up" nach Bedarf entwickelt werden: Nachbarschaft → regionales Meta-Projekt → superregionale Ebene → globale Ebene
    • Prosumenten-Assoziationen mit „Wunschlisten“, Standarts + Richtlinien (Umweltaspekte...)
  • Größere (höhere) Asoziationen bestehen aus gewählten Mitgliedern der darunterliegenden Asoziation. → Lokale Interessen werden gewahrt, einzelne Asoziationen können nicht einen Vorteil für sich herausholen.

Was ist die Basis der Peer Ökonomie?

  • Die Basis der Peer-Ökonomie ist die Schaffung von gemeinsamen Ressourcen. Dabei werden die Ressourcen so gestaltet und gepflegt, dass sie ergiebig genug sind, um für alle Beitragenden und alle Interessierten, die keine Beiträge leisten können, Überfluss zu bieten. Der Überfluss der Ressource wird dann verschenkt. Es besteht aber kein Zwang zum Teilen - das ist sehr wichtig! Wenn kein Zwang zum Teilen der geschaffenen Ressource oder zur Mitarbeit am Projekt besteht, die Nutzung einer Ressource nützlich ist und Reputation wichtiger ist als Status, dann wird sich die Verteilung der Güter und die Anpassung der produzierten Menge vermutlich selbstorganisierend regeln.
  • Was ist mit den Ressourcen, die nicht im beliebigen Umfang vorhanden sind? Eine Lösung hierzu ist der Gebrauch statt Verbrauch von Ressourcen (Ökoeffektivität). Wenn die Nutzung einer Ressource für die Ressource selbst nützlich ist, dann gibt es auch keinen Mangel an dieser Ressource. Professor Braungart, auf den der Begriff der Ökoeffektivität zurückgeht, führt das Beispiel der Ameisen an. die Ameisen entsprechen in ihrer Biomasse schätzungsweise 30 Milliarden Menschen und sie sind meist keine Vegetarier, aber sie sind nicht zu viele auf dieser Erde. Warum ist das so? Ameisen machen keinen Müll. Wenn sie ihre Ressourcen Nutzen, schaffen sie Nährstoffe für andere Organismen.
  • Ein kleines Gedankenspiel zum besseren Verständnis: Warum soll ein Techniker in einer Peer-Ökonomie die stinkenden Abwassersysteme pflegen? Ganz einfach weil es Abwasser nicht gibt. Es gibt nur Produkte und Nebenprodukte und beide bestehen aus Rohstoffen. Wenn Techniker dies nicht tut, dann werden z.B. die Bauern die Nährstoffe aus den Abwasser nicht auf die Felder ausbringen können, wodurch die Ernteerträge sinken. Deshalb hätten die Bauern dann weniger Gemüse, so dass sie das Gemüse nicht mit anderen, also auch nicht mit dem Techniker Teilen könnten. Der Techniker bei den Stadtwerken ermöglicht also, dass genug zu Essen da ist, das verteilt werden kann. Techniker, die bei den Stadtwerken in Abwasserkanälen herumkriechen dürften somit (im Gegensatz zu heute) eine gute Reputation genießen. Jeder der möchte, dass der Bauer viel Gemüse zu verschenken hat, wird gerne etwas dafür tun, dass es dem Techniker bei den Stadtwerken gut geht.

Organisation von Peer-Projekten

Da die Peer Ökonomie aus dem Zusammenspiel kleinerer Peer-Einheiten (Projekten) besteht, kann bereits jetzt mit einer Umstellung angefangen werden. Wer möchte kann einfach ein eigenes Peer-Projekt starten oder sein Projekt entsprechend anpassen. Dabei ist folgendes zu beachten:

Man kooperiert mit anderen um das gewünschte zu bekommen und konkurriert aber um gute Ideen + Innovationen (ähnlich im Sport). Copyleft: Veränderte Versionen dürfen nur unter selben Bedingungen wie Original verbreitet werden.

Quellen & Links

  • peerconomy.org - Ein Wiki, dass die wesentlichen Grundlagen der Peer-Ökonomie enthält
  • Oekonux-Projekt: Hier wird diskutiert wie sich die Peer-Produktionsform der Freien Software auf die reale Wirtschaft übertragen lässt um eine ganz neue Art von Oekonomie auf Basis von Selbstentfaltung anstatt Lohnarbeit und Macht zu schaffen.