Peer-Prozessorganisation
Mittels Peer-Prozessorganisation kann ein Großteil der strukturellen Ineffizienz von größeren Organisationen vermieden werden. Die Organisation wird somit effizienter aufgrund von:
- Steigerung der Prozess-Effizienz
- Steigerung der Intelligenz. Diese unterteilt sich in:
- Intelligentere Entscheidungen (bzw. Reduzierung von Fehlentscheidungen)
- Steigerung von Innovation und Kreativität
Diese Ansatzpunkte gelten vor allem wenn man weiterhin "groß" bleiben will und werden in diesem Artikel behandelt erklärt. Als Alternative käme auch ein "schrumpfen" der Organisation bzw. 0-Wachstum in Frage. Siehe dazu Vorteil der Kleinen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Strukturelle Ineffizienz größerer Organisationen
- 2 Effizienzsteigerung mit Peer-Prozessorganisation
- 3 Umsetzung von Peer-Prozessorganisation
- 4 Merkmale der Peer-Prozessorganisation
- 5 Neue Möglichkeiten mit Web 2.0 Werkzeugen
- 6 Peer-Prozessorganisation in der Wirtschaft
- 7 Peer-Prozessorganisation in der Politik
- 8 Quellen & Links
Strukturelle Ineffizienz größerer Organisationen
Im Artikel Strukturelle Ineffizienz wird klar, dass umso größer eine Altland-Organisation wird, umso ineffizienter wird sie in ihrem handeln. Damit entstehen vermeidbare hohe Kosten & Schäden sowie vergeudete Chancen aufgrund von:
- Ineffizienter Prozesse z.B. durch:
- langsame und unflexible Hierarchien
- Unnütze Regeln & Vorschriften
- Überarbeitete Chefs
- Unmotivierte Mitarbeiter
- Gravierende Fehlentscheidungen aus dem "Elfenbeinturm" sowie Nicht-Nutzung möglicher Innovation & Kreativität durch:
- Unmotivierte & nicht-eingebundene Mitarbeiter
- Nicht-genutzte externe Kreativität & Innovation
Diese "Prozess-Ineffizienz" sowie die "Reduzierte Intelligenz" stellt sich in jeder größeren Organisation (Wirtschaft, Politik, Gesellschaft) ein, welche nach den traditionellen Strukturen arbeitet.
Effizienzsteigerung mit Peer-Prozessorganisation
Mittels Peer-Prozessorganisation werden:
- Prozesse und Abläufe im Unternehmen effizienter gestaltet sowie
- die Intelligenz und Innovationskraft gesteigert, indem nicht nur die Intelligenz der obersten Führungsriege genutzt wird, sondern die vielfach höhere "Gesamtintelligenz" der Organisation. Beispielsweise kann der Erfolg der Organisation gesteigert werden indem Wissen, Erfahrung, Kreativität und Innovation von z.B. 200 "niederen" Beschäftigten und tausenden "Externen" mit einbezogen wird.
Dabei werden folgende brachliegende Potentiale erschlossen:
- Steigerung der Prozess-Effizienz aufgrund:
- Kürzerer & schnellerer Entscheidungswege,
- Reduzierung unproduktiver Arbeiten
- Mehr Intelligenz & Reduzierung gravierender Fehlentscheidungen aufgrund:
- Nutzung von Wissen & Erfahrungen der eigenen Mitarbeiter
- Nutzung von externem Wissen & Erfahrungen.
- Mehr Innovation & Kreativität aufgrund:
- Motivierung der eigenen Mitarbeiter und Erschließung ihrer Potentiale
- Erschließung externer Potentiale
Umsetzung von Peer-Prozessorganisation
Aus o.g. Ursachen von Ineffizienz sowie des o.g. Lösungsansatzes und der in der Praxis erfolgten Umgehung von Vorschriften ergeben sich folgende Ansatzpunkte:
- Abbau von Hierarchien und Bürokratie
- Nutzung + Entwicklung vorhandener interner Kompetenzen
- Einführung von Selbstorganisation (breitere Mitsprache und Entscheidungsfreiheit) und Generierung von Schwarmintelligenz
- Öffnung nach außen um externes KnowHow zu nutzen
Dadurch werden nicht nur Mitarbeiter motiviert, verborgene Potentiale genutzt und Fehlentscheidungen vermieden, sondern auch die Chefetage entlastet.
Merkmale der Peer-Prozessorganisation
Unterschied Peer-Prozessorganisation und Peer-Management
Peer-Prozessorganisation
- Prozessablauf: Peer-Prozessorganisation betrifft im Gegensatz zu Peer-Management vor allem die Ablauforganisation (also die Prozesse: Wer mit wem, was und wie).
- Effizienz: Durch Peer-Prozessorganisation wird die Organisation in ihrem handeln erfolgreicher und effizienter.
- Die Ausrichtung der Aufbauorganisation kann unberührt bleiben und weiterhin traditionell "top down" erfolgen. Das heisst, letzendlich kann weiterhin die obere Führungsetage entscheiden was gemacht wird (z.B. ob Peer-Prozessorganisation eingeführt wird (oder wieder abgeschafft), welcher Mitarbeiter welchen Posten bekommt, wie die Gewinne verteilt werden...).
Peer-Management
- Buttom-Up-Aufbau: Im Peer-Management dagegen sind die Abläufe evtl. weiterhin ineffizient organisiert, aber die Aufbauorganisation läuft "buttom up" (von unten nach oben). ** Das heisst, das z.B. die Vorgesetzten von den Mitarbeitern gewählt werden.
- Auch die Handlungsvollmachten der "Chefs" werden von "unten" festgelegt.
- Effektivität & Nutzenmaximierung: Bei einer 100%igen Peer-Management-Organisation werden alle Beteiligten/Betroffenen der Organisation als Mitentscheider einbezogen:
- Damit kann niemand mehr übervorteilt werden.
- Individueller Eigennutz ist weiterhin möglich, aber nur, wenn dadurch auch ein Nutzen für die Gesamtorganisation (bei Einbeziehung aller Betroffenen somit für die Gesellschaft insgesamt) herauskommt.
- Volkswirtschaftlich und gesellschaftlich wird somit effektiv gehandelt und eine Nutzenmaximierung gewährleistet (anstatt einseitiger Profitmaximierung zu Lasten anderer).
Natürlich können Unternehmen und Organisationen auch beide Neuland-Orga-Werkzeuge (Peer-Prozessorganisation und Peer-Management) nutzen.
Effekte von Peer-Prozessorganisation
Mittels Peer-Prozessorganisation werden:
- Prozesse schlanker (kostengünstiger, schneller, flexibler),
- Entscheidungen verbessert (breiteres KnowHow),
- bisher ungenutzte interne+externe Potentiale erschlossen,
- das Management entlastet (weniger Kontrolle + weniger Problemklärungen, Information + Organisation für andere) und hat mehr Zeit für die Weiterentwicklung des Unternehmens und Betreuung der Mitarbeiter.
Herausforderungen bei der Umsetzung
- Das mittlere Management verliert an Macht und Einfluß und ist deswegen oft eine große Bremse, an der die Einführung scheitern kann. Hier müssen die Anreize entsprechend geschaffen oder bereitgestellt werden (oder im Zweifel die Führungskraft auswechseln).
- Man kann Peer-Organsation nicht von oben verordnen (siehe Bsp. Boing). Man muss es von unten auf freiwilliger Basis wachsen lassen. Mitarbeitern, welche sich (noch) nicht beteiligen wollen oder können (z.B. zu wenig Computerkenntnisse), müssen Alternativen gelassen werden oder die Anreize erhöht.
- Eine Umstellung kann nur in kleinen Schritten erfolgen um die Belegschaft nicht zu überfordern. SEMCO hat für eine komplette Umstellung auf Selbstorganisation über 20 Jahre gebraucht (und Gewinn 50x erhöht).
- Eine Umstellung bedeutet zusätzlichen Zeitaufwand. Meist sind die Mitarbeiter schon mit ihrem Tagesgeschäft mehr als ausgelastet. Wenn jetzt noch zusätzlich Schulungen für Selbstorganisations-Techniken und Web-Anwendungen anstehen und danach sich die Mitarbeiter zusätzlich um Innovationen kümmern sollen, dann wird nicht viel passieren. Im Gegenteil waren dann die Schulungen und die Mühe der Einführung nur wieder zusätzliche unproduktive Zeit!
- Bei einer Neugründung ist es einfacher. Hier kann man von Anfang an auf Peer-Organisation setzen und dies bei der Auswahl der Mitarbeiter und Partner entsprechend beachten.
Neue Möglichkeiten mit Web 2.0 Werkzeugen
- Web 2.0 Werkzeugen sind z.B. Internet-Plattformen, Wikis, Blogs, Foren, Podcasting, Chatrooms, P2P-Netzwerke, Internet-Terminplaner (z.B.Doodle), Werkzeuge zur Entscheidungsfindung und Abstimmung (z.B.Liquid Democracy) usw.
Web 2.0. macht Mitsprache und Selbstorganisation erst möglich
Mittels Web2.0-Werkzeuge bieten sich erst seit wenigen Jahren neue Möglichkeiten für eine effizientere interne sowie externe Zusammenarbeit und des Austausches:
- Selbstorganisation (bzw. breite Mitsprachemöglichkeiten der Beteiligten) sind die Basis von Peer-Prozessorganisation und Peer-Management.
- Die Umsetzung dieses Anspruches war vor dem "Web 2.0" praktisch kaum möglich, da die Kosten für diese Kommunikation (Transaktionskosten) zu hoch waren. Beispielsweise ist es bei einer Belegschaft von z.B. 200 Personen nur mit den Werkzeugen "Versammlung", Telefon und schriftliche Eingaben praktisch nicht möglich (da zu ineffizient) auf breite Mitsprache und Diskussion zu setzen.
- Mittels "Web 2.0" können Kommunikations- und Transaktionskosten zwischen Bereichen und auch Externen (Partnern, Kunden, Lieferanten) gegen 0 reduziert werden.
- Diese Reduktion schafft ganz neue Möglichkeiten der Diskussion, Mitsprache, Entscheidung und Selbstorganisation. Dadurch können Prozess-Beteiligte einbezogen werden und deren KnowHow genutzt werden. Ohne diese Werkzeuge wäre dies zu teuer bzw. praktisch unmöglich.
- Ohne Web 2.0. bliebe Peer-Organisation auf kleine, übersichtliche, lokale Projekte beschränkt.
Vorteile
- Ein (mit web2.0. effizient organisierter) aktuellen Informations- und Ideenaustausch kommt dem Unternehmenserfolg zugute (durch Innovationen, Kreativität, mehr Einblick der BEschäftigen in das Gesamtunternehmen).
- Durch den direkten Kontakt werden Vorurteile gegenüber den anderen Abteilungen (oder Externen) abgebaut und deren Position besser verstanden.
- Durch umgehen von internen + externenen Hierarchien (vermehrte direkte Zusammenarbeit), werden:
- die Vorgesetzten entlastet,
- Kommunikation & Kooperation produktiver + schneller,
- Mitarbeiterzufriedenheit verbessert
Peer-Prozessorganisation in der Wirtschaft
Für die Einführung von Peer-Prozessen bieten sich die Bereiche:
- Intern (eigene Mitarbeiter), evtl. nur in bestimmten Abteilungen sowie
- Extern (Partner), evtl. nur mit bestimmten Partnern
an.
Daneben gibt es einen Unterschied in der Intensität der Peer-Prozessorientierung (was traut sich das Management zu):
- Punktuelle Steigerung der Effizienz durch (interne bzw. externe) Öffnung des Unternehmens mittels einzelner Peer-Werkzeuge oder sogar bis hin zur
- Einführung von (interner bzw. externer) Selbstorganisation: Auflösung von Hierarchien und Übertragung von Macht & Entscheidungen „nach unten“ an Beschäftigte bzw. Externe.
In welchen Bereichen ein Unternehmen seine Prozesse mittels Peer-Prozessorganisation effizienter gestalten will und bis zu welchem Grad eine Umsetzung sinnvoll bzw. notwendig ist, muss individuell in Abhängigkeit von den Gegebenheiten (Unternehmensgröße, Anspruch an Mitarbeiter, Umfeld...) entschieden werden.
Interne Öffnung
- Es werden Löcher in die Bürokratie und Hierarchien eines Unternehmens gebohrt um die interne Kommunikation und Zusammenarbeit effizienter zu gestalten.
- Dadurch wird das KnowHow der Mitarbeiter besser genutzt (kommt "oben" an) sowie können für Beteiligte wichtige Informationen besser zugänglich gemacht werden (kommen "unten" an).
Beispiel-Werkzeuge
- Foren: Mit Foren kann ein direkten Austausch zwischen den KnowHow-Trägern vor Ort (Verkäufer, Einkäufer, Berater...) und den "Bürokraten" (Controller, Kaufleute, Vorgesetzte) im Back-Office (Zentrale) geschaffen werden.
- Webbloggs anstatt Email: Mit Webbloggs kann die Transparent im Unternehmen erhöht werden (jeder kann auf benötigte Informationen zugreifen) sowie unproduktive Zeiten reduziert werden (niemand bekommt mehr unnötige Emails, die ihn gar nicht interessieren aber viel Zeit kosten)
- Internet-Terminplaner: Mit Terminplanern (z.B. Doodle) kann jeder selbständig einfach Termine mit anderen (vor allem Gruppentermine) planen. Wofür eine Sekretärin viel Zeit braucht, organisiert sich hier selbst.
- Webplattformen: Über spezielle Plattformen im Internet können beteiligte Mitarbeiter/Abteilungen an einem Prozess direkt zusammenarbeiten. Damit werden die Hierarchiewege entlastet und die Prozesse beschleunigt.
Unternehmens-Beispiele
- Der Elektronik-Einzelhandels-Riese "Best Buy" (USA) nutzt Foren um einen direkten Austausch zwischen den Verkäufern in der Filiale und den Bürokraten in der Zentrale zu schaffen. Die Verkäufer vor Ort können den Markt und die Kundenbedürfnisse meist viel besser einschätzen als die Verkaufsleitung im "Elfenbeinturm".
- Interne Prognosebörsen von Microsoft spart Geld und liegt mindestens so gut wie teure Marktstudien
Details zu den o.g. Beispielen sowie weitere Beispiele: Beispiele Peer-Prozessorganisation
Externe Öffnung
Mittels Webplattformen kann effizient mit Unternehmens-Externen kommuniziert und zusammengearbeitet werden. Dadurch können Risiken und Fehlentscheidungen reduziert bzw. zusätzliches KnowHow erschlossen werden:
Öffnung zu Partnern und Lieferanten
- Die Zusammenarbeit kann direkt mittels Echtzeitplattformen zwischen den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens und den Externen stattfinden.
- Zum Beispiel kann darüber weitestgehend selbstorganisiert eine gemeinsame Entwicklungsarbeit erfolgen ohne die Organisation aufwändig, kosten- und zeitintensiv über eine zentrale Stelle zu organisieren.
Beispiele (mehr dazu unter Beispiele Peer-Prozessorganisation):
- Entwicklung Boeing 787 Dreamliner: Netzwerk von über 100 Lieferanten entwickeln Flugzeug mittels einer Webplattform für Echtzeitkooperation ohne zeitraubende und unflexible Zentrale. Allerdings wurde die Kooperation "von oben" verordnet. Manche Lieferanten arbeiteten dann doch nicht so offen zusammen wie gedacht und verursachen Lieferprobleme.
- Autoindustrie: Die Automobilhersteller lassen inzwischen über 75% der Komponenten von Lieferanten entwickeln und bauen. Allerdings sind dies meist keine "Partnerschaften", sondern hartes Preisdiktat. Dies hat in Deustchland zu einer starken Konzentration der Zulieferindustrie geführt. Dadurch wird das Diktat gegenüber den Lieferanten schwieriger und vielleicht entwickeln sich daraus dann doch noch echte Partnerschaften?!
Beispiel Entrepreneurship:
- Entrepreneurship ist eigentlich Unternehmensführung. Damit ist allerdings nicht die (vor allem in Deutschland) gängige Methode der Unternehmensführung gemeint, dass der "Chef" bzw. Unternehmensgründer ein Multi-Talent sein muss und am besten so viel wie möglich selbst machen oder zumindest alle Fäden in den Händen halten und kontrollieren. Zudem wäre er Ansprechpartner bei jedem Problemchen.
- Entrepreneurship stellt vielmehr eine Art konsequentes Outsourcing dar, wobei die Auftragnehmer eher Partner anstatt "billige Lieferanten" sein sollten.
Kurzdarstellung Entrepreneurship:
- Eine Idee ausarbeiten und das eigene Unternehmen aus vorhandenen, jedermann zugänglichen Komponenten zusammensetzen.
- Den Kopf freihalten für die wichtigen Fragen. Den Horizont im Auge behalten, statt in den Alltagsanforderungen unterzugehen.
- Ganz praktisch an eigenen Ideen arbeiten, diese wie ein Puzzle kombinieren und daraus etwas Neues schaffen.
- Je unkonventioneller man denkt, um so besser!
- Buchhaltung und Rechnungswesen? Sollte ein Unternehmensgründer denen überlassen, die das schnell, zuverlässig und zu niedrigen Preisen erledigen. Versand, Verpackung und Logistik? Auch dafür gibt es Profis...
Konsequente Beispiele für Entrepreneurship sind z.B. Teekampagne und Ratio-Drink.
Mehr zu Entrepreneurship:
- Vortrag von Prof. Faltin - Beantwortung von praktischen Fragen in einem 16teiligen Video auf YouTube
- Entrepreneurship - praktische Grundsätze für erfolgreiche Neuland-Unternehmen
Öffnung zu Interessierten und globalem KnowHow
Über Webplattformen kann die Welt zum lösen von Problemen (Technologien, Innovationen...) eingeladen werden. Z.B.:
- über Preisausschreiben auf eigener Webseite für Ideenwettbewerbe, Ratschläge usw.
- InnoCentive.com: Unabhängige Webseite wo 90.000 Wissenschaftler gegen Geldprämien an F&E Lösungen tüfteln. Wer will kann mitmachen.
- Yet2.com: Marktplatz um Patente anzubieten.
- Oft ist es billiger etwas bei Yet2.com oder InnoCentive.com zu kaufen als selbst eine kostenintensive Entwicklung mit ungewissem Ausgang zu betreiben.
- Nutzung von freier, globaler Rechenkapazität anderer um sich Jahrzehnte an eigenen Berechnungen zu ersparen. Dies funktioniert mittels Verteiltem Rechnen.
Beispiele (mehr dazu & weitere Beispiele unter Beispiele Peer-Prozessorganisation):
- Goldcorp: Die eigenen Geologen konnten das Gold einer kanadischen Mine nur schwer lokalisieren. -> Durch explodierende Kosten drohte Konkurs. Im Goldcorp-Challenge wurde über eine Webplattform die ganze Welt eingeladen die Daten der Mine auszuwerden und das Gold zu orten. Preisgeld: 575.000$. Mehr als 1.000 Interessierte beteiligten sich -> Die Mine wurde zum erfolgreichsten Unternehmen der kanadischen Bergbauindustrie.
- IBM: Mit dem jährlichen "InnovationJam" holt IBM neue Ideen ins Haus. Die besten werden gefördert.
- Procter & Gamble: 9.000 eigene Forscher reichen dem Konsumgüterkonzern nicht aus um mit Innovationen vorn zu bleiben. 27.000 eigene Patente kosten 1,5 Mrd. $ pro Jahr. Weniger als 10% wird genutzt, der Rest kostet nur. Aufgrund dieser Inneffizienz wird inzwischen auf globales KnowHow gesetzt und mind. 50% neuer Produkt- und Serviceideen von außerhalb (z.B. InnoCentive) geholt.
Öffnung zu Kunden
- Über z.B. ein Forum auf der Webseite oder spezielle Formulare können Anregungen, Meinungen und neue Ideen von Kunden eingeholt werden.
- Wenn dies transparent (z.B. Forum) und konstruktiv erfolgt, kann dies die Renomierung und das Vertrauen der Kunden ins Unternehmen erhöhen.
Beispiele (mehr dazu unter Beispiele Peer-Prozessorganisation):
- Dell: Beim Computerhersteller Dell kann man auf der Webseite des Unternehmens seine Erfahrungen (Vor- und Nachteile) mit dem eigenen Dell-Computer einstellen. Dies hilft anderen Kunden beim Kauf, schafft aber auch Vertrauen und gibt Dell eine Rückmeldung über die Akzeptanz seiner Produkte.
- LEGO: Der Roboterhersteller LEGO hat die Programmierung der Chips seiner Roboter komplett offen gelegt. Dadurch können die Kunden ihre Roboter selbst umprogrammieren, wie sie es brauchen. Auf der Webseite können sich hier die Kunden auch austauschen. LEGO hat damit nicht nur mehr Kunden, sondern erhält auch das KnowHow der Hobby-Bastler.
Interne Selbstorganisation
- Wenn sich die „Umgehung“ von Vorschriften positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt (siehe Vorschriften und deren Umgehung, warum dann daran festhalten und Zeit + Energie verschwenden?
- Warum nicht Selbstorganisation zulassen und professionell organisieren?
Merkmale von interner Selbstorganisation
- Die Mitarbeiter bilden lockere Teams (ähnlich einer Filmcrew) pro Projekt. Nach beenden des Projekts wird das Team aufgelöst und es bilden sich neue Teams für neue Projekte.
- Die Kontrolle und Bewertung erfolgt nicht von oben, sondern innerhalb der Beteiligten selbst. Das gibt meist fairere und objektivere Ergebnisse. Dadurch wird auch verhindert, dass sich einige auf den Leistungen anderer ausruhen (was bei fehlender Kontrolle+Bewertung der Fall wäre).
- Ein wichtiger Grundsatz ist die Freiwilligkeit. Jeder kann so gezielt mehr seine Talente einsetzen. Was jemand gern macht, macht er meistens auch besser als andere.
- Selbstorganisation wirkt sich positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus. Es bringt für den Einzelnen mehr Selbsterfüllung, Würde+Kreativität. Dadurch steigt auch die Leistungsbereitschaft.
Beispiele von interner Selbstorganisation
- Das Beispiel der Firma SEMCO zeigt wie mit konsequenter Selbstorganisation die Führungskräfte entlastet und der Unternehmenserfolg verfünfzigfacht wurde.
- Diese erfolgreiche Umstellung bedurfte vieler Schritte und dauerte über 20 Jahre. Allerdings bringt jeder einzelne Schritt schon Erfolge. Wie weit man "die Zügel aus der Hand geben will" muß jeder selbst entscheiden.
Siehe Selbstorganisation bei SEMCO
Externe Selbstorganisation
(oder auch "offene Partnerschaften")
- Durch externe Selbstorganisation kann wie bei Steigerung der externen Effizienz zusätzliches externes KnowHow erschlossen werden.
- Aber vor allem können Märkte erschlossen werden, welche für den Einzelnen zu groß oder zu komplex sind (siehe Amazon).
- Oder man kann sich damit vor dem drohenden Untergang "retten" (siehe IBM oder [[Beispiele Peer-Prozessorganisation#HumanGenomProject|HumanGenomProject)
Merkmale
- Im Gegensatz zum Einkauf von KnowHow oder "festen Partnerschaften", wo genau ausgehandelt wird was geliefert und was bezahlt wird, existiert bei externer Selbstorganisation eine offene Win-Win-Situation.
- Die "lockere" Zusammenarbeit kann jederzeit von jedem Partner einseitig ohne Nachteile beendet werden.
- Die Unternehmen müssen sich den jeweiligen Partnern öffnen und KnowHow preisgeben. Die Idee ist, daß der Partner die freigegebenen Informationen, Infrastruktur usw. besser nutzen kann als das Unternehmen selbst. Im Gegenzug bekomt das "gebende" Unternehmen einen Anteil am Gewinn oder bekommt auch wichtige Informationen Somit profitieren beide.
- Dieses Öffnen bedeutet meist ein komplettes Umdenken der Führungskräfte: Durch Teilen bekommt man am Ende mehr anstatt weniger !
- Im Gegensatz zu den oben aufgezeigten Partnerschaften unter Menüpunkt "Öffnung zu Partnern und Lieferanten", wird bei externer Selbstorganisation den Partnern "freie Hand" gelassen. Das Projekt bekommt dadurch eine Eigendynamik und entwickelt sich selbstständig.
- Das Unternehmen kann hier keine traditionelle Kontrolle mehr ausüben. Man hat auch keine Macht über die Partner. Auch dies benötigt ein komplettes Umdenken der Chefetage.
- Wenn man die Weichen bei offenen Partnerschaften richtig gestellt hat, eröffnen sich ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten.
Beispiele externer Selbstorganisation
Amazon
- Das Beispiel des Online-Einzelhändlers Amazon zeigt wie mit einer offenen Partnerschaft das Unternehmen praktisch kosten- und risikolos erweitert, mit Innovationen verbessert und erfolgreicher wird.
- Amazon erreicht dies mit großer Offenheit gegenüber interessierten Partnern. Jeder kann praktisch die gewaltigen Datenmengen und das KnowHow von Amazon für seine Geschäftsidee mitnutzen.
Mehr dazu: siehe Externe Selbstorganisation bei Amazon
IBM
- Mit dem Einstieg von IBM in die OpenSource-Entwicklung (u.a. Linux), schaffte IBM eine offene Partnerschaft.
- Damit spart sich IBM teure und riskante Eigenentwicklung in Milliardenhöhe und vermeidet die Abhängigkeit von Wettbewerbern.
Mehr dazu: siehe OpenSource Einstieg von IBM
HumanGenomProject
- Nachdem die Patentierung genetischer Erbinformationen legalisiert wurde meldeten vor allem spezialisierte Biotechnologieunternehmen immer schneller Patente an.
- Die Pharmaindustrie konnte hier nicht mithalten und fürchtete durch die Patente in Abhängigkeit von den Biotech-Firmen zu geraten.
- Die Pharmaindustrie reagierte und es wurden freie Datenbanken mit Sequenzen, die dann niemand mehr patentieren konnte, geschaffen:
- Das Risiko, dass die Konkurrenz daraus schneller ein Medikament entwickelt war geringer als die Abhängigkeit durch die Patente.
- Man erhielt damit auch den (patentlosen) Zugriff auf die "freigebenen" Sequenzen der anderen.
- Es konnten sich so auch freie Wissenschaftler und Universitäten um die Entwicklung von Medikamenten bemühen. Dadurch erspart sich die Pharmaindustrie eigene Entwicklungsarbeit und bekommt mehr Input für ihr Kerngeschäft (Herstellung und Vermarktung der Medikamente).
Mehr dazu: siehe Beispiele Peer-Prozessorganisation
Generierung von Schwarmintelligenz
(Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile)
- Schwarmintelligenz entwickelt sich aus der Selbstorganisation.
- Bei der Zusammenarbeit einzelner Teile für ein gemeinsames größeres Ganzes, ist das Ergebnis größer als die Summe seiner einzelnen Teile.
- Diese zusätzlich entstehende Intelligenz wird als Schwarmintelligenz bezeichen.
Beispiel
- Wenn 10 Personen eines Unternehmens einzeln befragt werden, welche möglichen Marketingmaßnahmen ihnen für ein neues Produkt einfallen, dann gibt es z.B. x Ideen mit der Qualität y.
- Wenn man diese 10 Personen zusammen diskutieren läßt um Marketingmaßnahmen gemeinsam auszudenken, dann wird es mehr als x Ideen geben und die Qualität wird auch höher als y sein.
- Warum? Weil durch "lautes denken" z.B. andere die schon verworfenen Ideen (oder nur zum Spaß gesagten) von einem weiterdenken und anpassen können. Der Andere wäre aber vielleicht nie auf die Ausgangs-Spaß-Idee gekommen. Ohne diesen Austausch würde diese Idee also nie auftauchen. Genauso denken Andere die eigenen Ideen weiter, so dass auch die Qualität verbessert wird.
- Der Effekt dieser Generierung von Schwarmintelligenz wird gemeinhin als "Brainstorming" bezeichnet.
Umsetzung
Diese Schwarmintelligenz kommt erst richtig zum tragen und kann effizient genutzt werden, wenn den einzelnen Beteiligten eines Prozesses:
- Die Zeit für selbstorganisierte Brainstorming-Meetings eingeräumt wird
- Die Beteiligten die Ergebnisse auch umsetzen können (Geld und Zeit ist vorhanden)
- Die Beteiligten auch einen angemessenen Nutzen daraus haben (Beteiligung am Ergebnis, Anerkennung...).
- Alles auf Freiwilligkeit und Selbstorganisation (auch die Kontrolle) basiert.
- Die professionell organisierte Selbstorganisation bei SEMCO liefert einen guten Nährboden für die Schaffung dieser zusätzlichen Kreativität und Potentials.
Eine höhere Vernetzung der Beteiligten in der Organisation stellt die Methode bzw. den Schlüssel für die Generierung von Schwarmintelligenz dar. Nur damit lassen sich heutzutage komplexe Systeme (also größere Organisationen, von z.B. 200 Menschen und mehr) optimal steuern. Damit erreicht man dann, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dazu 22 kurze Videos auf YouTube von Peter Kruse: Kybernetik.
Siehe auch Neuland-Prinzip: Schwarmintelligenz
Peer-Prozessorganisation in der Politik
- In der Politik läuft Peer-Prozessorganisation auf Mitsprache und Beteiligung der betroffenen Bürger hinaus.
- Ein Beispiel dafür ist z.B. der Bürgerhaushalt.
- Ein effizientes Werkzeug zur Mitsprache bietet Liquid Democracy.
Weitere Möglichkeiten hierzu unter Peer-Management.
Quellen & Links
- Literatur: Wikinomics, Don Tapscott, Originalausgabe 2006, Sachbuch des Monats